Workshops in zwölf Schulen.
Reden wir über Baukultur? Grundsätzlich gern, aber zuvor stellt sich die Frage, wer darunter was versteht bzw. wem es obliegt, darüber zu urteilen, welches Bauwerk besser als ein anderes ist. Um die Antwort nicht schuldig zu bleiben: In der Steiermark werden alle zwei Jahre herausragende Projekte von einer Jury ausgewählt. Und wie erfährt die Öffentlichkeit von diesen ausgezeichneten bzw. für die Auszeichnung nominierten Bauten? Naheliegend ist es, sich an die nächste Generation zu wenden – also an Schülerinnen und Schüler in steirischen Schulen, ihnen die besonderen Bauten vorzustellen und diese von ihnen bearbeiten zu lassen. Im regulären Schulbetrieb ist dafür nicht viel Zeit, also wurden in zwei bis vierstündigen Workshops Fotografien der ausgezeichneten Gebäude adaptiert. Die Workshops fanden mit Kindern im Volksschulalter ebenso wie mit jungen Erwachsenen statt, in der Hoffnung, dass sie einen Zugang zur Baukultur finden, als Multiplikatoren fungieren und von ihrer bildnerischen Arbeit erzählen.
Zu Beginn stand eine kurze Präsentation der ausgewählten Projekte und es wurden mögliche Bearbeitungstechniken vorgestellt. Das Spektrum reichte dabei vom Scherenschnitt über die Übermalung bis hin zur perspektivischen Collage. Als Basis erhielten die Schülerinnen und Schüler, unabhängig von ihrem Alter, Farbfotografien der ausgezeichneten Bauwerke im Format DIN A2 und Materialien zur Neugestaltung. Zeitungsausschnitte, Familienfotos, Klebebänder und -folien, Buntpapier und verschiedenste Stifte bzw. Farben sowie Nähmaschinen wurden verwendet, um aus den neutralen Gebäudeabbildungen persönliche Werke zu machen. In intensiver, lustbetonter Arbeit entstanden in kurzer Zeit Einzelarbeiten, die manchmal das Bestandsgebäude in den Hintergrund drängten, manchmal den Gebäuden neue Bewohner zuwiesen und manchmal die Häuser sogar sprechen ließen. Alltagsszenen oder Konsumartikel wurden hinzugefügt und ausgezeichnete Architektur mit richtigem Kitsch versehen. Maßstabssprünge gehören dazu, aus Klein wird Groß und umgekehrt. Nichts ist unmöglich.
Aber bevor mit der Überarbeitung richtig begonnen wurde, sahen die Schülerinnen und Schüler noch Ausschnitte aus dem grandiosen Film „Playtime“ (1967, dt. Titel „Tatis herrliche Zeiten“) von Jaques Tati. Die Hauptfigur Monsieur Hulot bewegt sich durch die fulminanten Errungenschaften der modernen Stadt und stößt dabei wiederholt an die Grenzen der funktionalen Gestaltungsabsichten. Mit Humor und etwas Slapstick schafft er es, das tägliche Leben in moderner Architektur darzustellen. Hie und da drang der kritische Geist von Jaques Tati auch in die Arbeiten der Schülerinnen und Schüler vor: Ein Boden wird zur Decke, die Zeichnungen von Keith Haring finden sich in der Pfarrkirche Wagna und der Med Campus Graz wird zum Times Square.
Michael Rieper