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GerambRosen-Zeitreise 02

Graz wird offener. Die 1990er Jahre

Datum: 6. Juli 2018
Ort: Graz

Thematisch knüpfte diese zweite Exkursion der Veranstaltungsreihe an jenen ersten Nachmittag an, da es wieder um das Wohnen als zentrales Thema ging. Zeitlich gesehen lag der Fokus diesmal jedoch in den 1990er Jahren – ein Ausgangspunkt, um neue Aspekte sowohl des Einfamilien- als auch auch des Mehrparteienhauses zu diskutieren.

So zeigen die beiden Einfamilienhäuser zu Beginn des Exkursionsnachmittags vor allem eine räumliche (Weiter-)Entwicklung hin zu mehr Transparenz, zufließenden Raumsequenzen, die neue Zugänge aufzeigen, genauso wie sie von der persönlichen Handschrift der jeweiligen Architekten erzählen.

Beim Haus K. von Franz Eitzinger lässt sich dies jedoch nur mehr zum Teil nachvollziehen, da hier gerade an entscheidenden Punkten Adaptierungen stattgefunden haben. So wurde die offene Galerie über dem Wohnzimmer geschlossen und damit auch das ursprünglich vorhandene zentrale Raumkontinuum entscheidend geschwächt. Im Haus T. von Klaus Kada wiederum ist der zentrale Raum, in dem Kochen, Essen und Wohnen standen, von wirklicher Schönheit. Hier wird durch ein geschicktes Choreografieren von Blickbeziehungen das Leben im Haus spürbar, hier wird die Aussicht in die Baumkronen über der Küche inszeniert. Wie ein übergroßes Gemälde prägt diese den zweigeschossig offenen Raum, der in Proportion und Detaillierung auch dreißig Jahre nach der Entstehung zu überzeugen vermag.

Mit diesen beiden Beispielen wurde das Thema der Einfamilienhäuser abgeschlossen und der Fokus auf den Wohnbau gelenkt. Damals, in den 1990er Jahren, konnten zwei Projekte mit ihren prototypischen Haltungen entscheidend zur typologischen Auseinandersetzung beitragen und die Grenzen des tatsächlich Machbaren neu definieren. Dabei handelt es sich um das „Tiefe Haus“ der Planungsgruppe Pentaplan sowie um die Revitalisierung der ehemaligen Stadtmühle von Hans Gangoly, die beide im Jahr 1999 fertiggestellt wurden.

Besonders erfreulich war, dass bei beiden Stationen die Architekten – Wolfgang Köck und Klaus Jeschek bzw. Hans Gangoly – vor Ort waren, um ihre Versionen der Entstehungsge- schichten zu erzählen – und dass sie sichtlich Spaß daran ha en, sich ein Bild über die Aneignung des Wohnraums und über die nunmehr dort herrschende Atmosphäre zu machen.

Zuerst wurde das „Tiefe Haus“ in Graz Mariatrost von Pentaplan besichtigt. Typologisch gesehen handelt es sich dabei um hochverdichtete Atriumreihenhäuser. Hier nahmen viele räumliche und organisatorische Ideen ihren Ursprung, die auch den bemerkenswerten aktuellen Bauten der Bürogemeinschaft zugrunde liegen. So wirken die kompakten Familienwohnungen trotz aller Effizienz vor allem durch das private Atrium als räumliches Zentrum erstaunlich großzügig. Kein Wunder, dass die Wohnungen – auch bei anfänglicher Skepsis – immer noch sehr beliebt und geschätzt sind. Veränderungen im Lauf der Zeit sind vor allem rund um das Haus spürbar. Hier haben sich Pflanzen ausgebreitet, die einen grünen Filter erzeugen und so ein ganz anderes Bild des Wohngebäudes zeichnen als zur Entstehungszeit. Das tiefe Volumen verschwindet nahezu hinter den Pflanzen, die Grenze zwischen Grünraum und Stadt bleibt an diesem Ort bewusst undefiniert.

Anders, aber nicht minder spannend ist die Revitalisierung der ehemaligen Stadtmühle von Hans Gangoly. Die Voraussetzungen zur Umwandlung dieses Bauvolumens aus dem Jahr 1880 in ein Wohnhaus konnten schwieriger nicht sein. Eine zentrale städtische Lage ohne zur Verfügung stehende Freiflächen, ein tiefer Baukörper, zudem eine imposante, denkmal- geschützte Holzkonstruktion – schön, aber dennoch einschränkend. Die besichtigte Umsetzung zeigt, trotzdem oder gerade deshalb, erstaunliche Qualitäten vor und in den Wohnungen. Eine Umsetzung abseits des Üblichen, die jedoch durch die genaue Definition einer Zielgruppe und die dafür maßgeschneiderten, loftartigen Wohnungen eine Lösung darstellt, die immer noch vor allem junge Leute anspricht. Sobald man aus dem neu errichteten Stiegenhaus ins Bestandsgebäude tritt, rückt die beeindruckende Holzkonstruktion ins Zentrum der Wahrnehmung. Beim Blick nach oben wird die Schichtung aus Trägern und Stehern in diesem zentralen, fünfgeschossigen Luftraum zum prägenden Element. Ein einzigartiger Ort, der das Fehlen von Freiflächen rund um das Gebäude mehr als kompensiert, der für Bewohnerinnen und Bewohner nutzbar und erlebbar ist und dessen Spuren der Aneignung auch von tatsächlichem Gebrauch zeugen.

So endete die zweite von drei „Zeitreisen“ mit diesen zwei überzeugenden räumlichen Positionen, die am Ende dieses Jahrzehnts Stellung beziehen. Alternativen zum sonst Üblichen, die sich zwanzig Jahre nach ihrer Errichtung als lebenswerte Bausteine unserer Stadt etabliert haben.

Gernot Reisenhofer

Programm

HAUS T.
(GERAMBROSE 1991)
Planung: Univ. Prof. Arch. DI Klaus Kada, Graz

HAUS K.
(GERAMBROSE 1997)
Planung: Arch. DI Franz Eitzinger, Graz

SIEDLUNG TEICHHOFWEG
(GERAMBROSE 1999)
Planung: Pentaplan, Graz

STADTMÜHLE
(GERAMBROSE 2000)
Planung: Univ. Prof. Arch. DI Hans Gangoly, Graz

© Gernot Reisenhofer