×

GerambRosen-Landpartie 04

Mit dem Fahrrad zu ausgewählten Projekten entlang der Mur

Datum: 27. Juni 2018
Ort: Obersteiermark West

Der gestalterische Aspekt von Infrastrukturprojekten in Verbindung mit Wasser stand im Mittelpunkt dieser Tour, die sowohl zu Wasserkraftwerken im Einklang mit der Landschaft als auch zu einem revitalisierten Wasserturm mit geschichtlicher Vergangenheit führte. Bei perfektem Radwetter starteten die TeilnehmerInnen beim Treffpunkt am Bahnhof Unzmarkt.

Die erste Station war das Wasserkraftwerk Unzmarkt, dessen Krafthaus bereits im Jahr 1989 die GerambRose verliehen worden war. Planer dieses Kleinods waren Günther Domenig, Peter Hellweger und Hermann Krauß. Bemerkenswert ist, neben den ausgewogenen Proportionen, auch die Gestaltung der Fassaden, die nicht nur wegen des Baustoffs Stahlbeton, sondern auch durch die Charakteristik der Formensprache eine starke Dynamik entfalten. Hervorzuheben ist weiters der Blick vom Servicesteg über der Mur Richtung Norden zum Krafthaus. Im Zuge der Führung durch das Maschinenhaus war auch die Wirkung zwischen reiner Technik und der umhüllenden Architektur spürbar.

Die zweite Station war das Flusskraftwerk Fisching. Die Distanz von ca. 30 km wurde mit den Fahrrädern am wunderbaren Murradweg bewältigt. Er führte uns entlang des Flusses durch das durch die Eiszeiten geprägte obere Murtal. Ab Judenburg verläuft die Strecke zu großen Teilen in den Augebieten links und rechts der Mur. Bei der Planung der Exkursion waren uns auch die Wahrnehmungen aufgrund des entschleunigten Tempos einer Radtour wichtig. Insbesondere die Annäherung an das Kraftwerk war sehr interessant, da dessen Einbettung unter Berücksichtigung der naturräumlichen Gegebenheiten erfolgt war und man bis zum Schluss keine negativen Auswirkungen durch die Anlage wahrnimmt.

Die GerambRose für dieses Projekt wurde im Jahre 1995 vergeben. Planer waren Gerhard Haidvogel, Erich Andree und Manfred Makovec. Letzterer erzählte uns im Zuge der Führung spannende Details der Projektphase, die unter anderem auch in den von ihm zur Führung ausgearbeiteten Unterlagen aufgelistet waren. Um einen Bezug zum Standort dieses Wasserkraftwerks herstellen zu können, muss man sich die geschichtlichen und räumlichen Zusammenhänge ins Bewusstsein rufen.

Der Standort des Kraftwerks Fisching befindet sich in einer geographisch und siedlungsgeschichtlich bedeutenden Region der Steiermark. Im Raum Aichfeld-Murboden, der seit mindestens 4000 Jahren durchgehend besiedelt ist, kreuzen sich alte Hauptverkehrswege: von Süden über den Obdacher Sattel und weiter über den Hohen Tauern und Pyhrnpass nach Norden bzw. entlang der Mur von Scheifling im Westen nach Bruck an der Mur im Osten.

Sowohl unter den Römern als auch im Frühmittelalter war der Raum Judenburg ein bedeutender Handelsplatz. Vor allem der Bergbau und die Metall- und Eisenerzeugung waren für die wirtschaftliche Entwicklung der Steiermark von großer Bedeutung. Deshalb entstand bereits im 8. Jahrhundert ein erstes Verwaltungszentrum im Bereich der heutigen Ruine Eppenstein und auf der Judenburger „Stadtkrone“. Die benötigte Energie wurde über Jahrhunderte aus der fließenden Welle der Mur – über mechanische Abarbeitung (Wasserräder) – gewonnen. Seit dem Jahr 1994 wird der aus dem Wasserkraftwerk Fisching erzeugte Strom verwendet.

Beachtenswert sind vor allem die ökologischen Gesichtspunkte, die die Gestaltung der Gesamtanlage Kraftwerk maßgeblich beeinflusst haben. So wurden z.B. die Ufer des Triebwassergerinnes natürlichen Uferlandschaften in diesen Bereichen nachgebildet. Durch diese Maßnahmen ist der Bestand von Flora und Fauna gewährleistet.

Unter anderem zeigen die Informationen dieser Schautafel die unglaubliche Artenvielfalt an Pflanzen und Lebewesen, die im Bereich der Murauen vorhanden ist und sich durch technische Anlagen nicht verschlechtern darf.

Von Fisching führte uns die Tour durch die Murauen weiter nach Zeltweg, wo sie in einem gastronomischen und gestalterischen Highlight – nämlich dem ehemaligen „Gichtturm“ – den gemütlichen Ausklang fand. Um sich der Bedeutung dieses Bauwerks bewusst zu werden, ist ein Exkurs in die Geschichte Zeltwegs notwendig.

GICHTTURM DER EHEMALIGEN EISENHÜTTE ZELTWEG

Was hat das prachtvolle Wiener Opernhaus mit dem Platz, auf dem wir jetzt standen, zu tun? Nun, genau hier wurde jenes Eisen verhüttet, gewalzt und geschmiedet, aus dem die eiserne Dachstuhlkonstruktion der Wiener Oper entstand.

„Der ehemalige Beschickungsturm der ersten Kokshochofenanlage der Steiermark, im Montanwesen Gichtturm genannt, ist mit einer Firsthöhe von 27 Metern der letzte stolze steinerne Zeuge eines riesigen Industrieareals, das sich von der Tischlerstraße im Westen bis zur heutigen Wohnsiedlung Bessemerfeld erstreckte, im Norden reichte es bis zum damals noch nicht bestehenden Flugfeld, im Süden begrenzten die prächtigen Villen und Wohnbauten der Direktion bzw. das Werkshotel, heute Steirerschlössl, entlang der Zeltweger Hauptstraße das Areal des 1870/71 errichteten Hüttenwerks, schlicht ‚Oberes Werk‘ genannt. Der Hochofen ging am 10. Februar 1874 in Betrieb. 1885 wurde auf der anderen Seite des Gichtturms ein Reserveofen errichtet und 1888, als der erste Ofen am Ende seiner laufenden Ofenreise war, angeblasen. 1898 wurde beschlossen, den Hochofenbetrieb allmählich aufzulassen und das Werk in ein Blechwalzwerk umzubauen. 1899 musste nach einem Gestelldurchbruch der erste Ofen stillgelegt werden, der zweite wurde am 24. Dezember 1901 niedergeblasen und abgerissen. Damit endete die Ära der Hochöfen in Zeltweg. Der Gichtturm jedoch, dessen Wandstärke sich vom Sockelbereich bis oben von 1,4 auf 0,4 Meter verjüngt, wurde umgebaut, sein von einer Dampfwinde betriebener Schalenaufzug ausgebaut und sta dessen ein Wasserreservoir mit 23,5 Kubikmeter Inhalt in ca. 23 Meter Höhe für die Nutzwasserversorgung des Walzwerks eingebaut. Nach Stilllegung des Walzwerks 1923 erlebte der Turm im Jahre 1935 seine erste Revitalisierung – ein neuer Wasserbehälter, gespeist vom Brunnen des Werkshotels, diente von nun an der Trinkwasserversorgung der Werkswohnhäuser entlang der Hauptstraße bis in die neunziger Jahre des letzten Jahrhunderts.“*

Die Projekt Spielberg GmbH & Co KG rund um Dietrich Mateschitz erwarb dieses Gebäude und beauftrage das Architekturbüro Titus Pernthaler mit der Erstellung eines Entwurfs für den Ausbau und für die weitere Nutzung des Wasserturmes als Café und Bar.

In der Exkursion vorausgehenden Gesprächen erklärte Architekt Pernthaler, dass ein grundlegender Entwurfsgedanke der starke Kontrast zum Bestand war. Die hinzugefügten Bauteile und Baukörper zeichnen sich durch Transparenz und Leichtigkeit, unter anderem hervor- gerufen durch die verwendeten Materialien Stahl und Glas, sowie durch die gut aufeinan- der abgestimmten Proportionen zwischen Bestand und Neubau aus.

Eine wesentliche Herausforderung war natürlich die Entkernung des Wasserturms ohne Schwächung seines statischen Gefüges. Ein weiterer Aspekt der Gestaltung im Zusammenwirken mit den statischen Herausforderungen war es, den scheinbar eingeschobenen Baukör- per der Skybar elegant und schwebend wirken zu lassen.

Im Inneren des Turms musste Platz für die gesamten Ver- und Entsorgungsleitungen sowie für die Erschließung (Aufzug und Stiege) geschaff en werden.

Fakt ist, dass die moderne Architektursprache, mit der diese Aufgabe bewältigt wurde, eine wesentliche Bereicherung der Silhouette der Industriestadt Zeltweg darstellt und der Turm sich zu einem Hotspot der Architekturszene in der Obersteiermark entwickelt hat.

Gerhard Steiger

* Quelle: https://www.geocaching com/geocache/GC46ARW_ gichtturm-zeltweg?guid=129aef58- fa06-493a-a2a6-013789939ade)

Programm

WASSERKRAFTWERK UNZMARKT FRAUENBURG
(GERAMBROSE 1989)
Planung: Univ. Prof. Arch. DI Günther Domenig, DI Dr. Hermann Krauß

WASSERKRAFTWERK FISCHING
(GERAMBROSE 1995)
Planung: Arch. Gerhard Haidvogel,
DI Erich Andree, Ing. Manfred Makovec

WASSERTURM ZELTWEG
Planung: Arch. DI Titus Pernthaler, Graz

FLUSSAUFWEITUNG WEYERN
(GERAMBROSE 2010)
Planung: freiland Umweltconsulting ZT GmbH, Graz

© Archiv BauKultur Steiermark, Baubezirksleitung Obersteiermark West, freiland, Philipp Platzer