Zu ausgewählten Preisträgerprojekten in Bad Gleichenberg
Datum: 13. Juli 2018
Ort: Bad Gleichenberg
Bad Gleichenberg besitzt aufgrund seiner Geschichte und Entwicklung als Kurort mit seiner Blütezeit in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts einerseits sowie als stetig wachsendes Ausbildungszentrum für touristische Berufe andererseits eine Sonderstellung in Hinblick auf die regionale Baukultur. Die Entscheidung der Baubezirksleitung Süd-Ost, „ihre“ Landpartie als fußläufige Exkursion durch diesen speziellen Ort zu führen, lag daher nahe – auch weil sich hier vieles in den letzten Jahren verändert und mitunter zum Positiven gewendet hat.
In diesem Sinn war es erfreulich, dass sich beim vereinbarten Treffpunkt an einem Freitagnachmittag im Juli eine ganze Schar Personen mit unterschiedlichsten Interessen und Erwartungen versammelt hatte. Den ersten Programmschwerpunkt bildeten Bauten, die im Umfeld des Ausbildungsclusters für touristische Berufe entstanden sind. So fanden wir uns zuerst unter dem Vordach des Mädcheninternats der Landesberufsschule, das 2007 vom Kölner Architekturbüro Barkowski Wahrer Architekten fertiggestellt worden war. Neben den einleitenden Worten von Dietger Wissounig, der als Beiratsmitglied im Verein für BauKultur die Exkursion begleitete, verblüffte uns der imposante Auftritt eines ukrainischen Kinder- und Männerchors (Stichwort: Sommernutzung), der spontan die beeindruckende Akustik unter der überdachten Eingangszone unter Beweis stellte.
Vom Inneren des Internatsgebäudes aus ist der Bezug zur Landschaft zentral – ein Spezifikum, das allen weiteren Gebäuden dieser Exkursion gemein ist. Durch deren exzeptionelle Lagen rückt die Definition bzw. die Ausformulierung des Übergangs zum Landschaftsraum bzw. zum Kurpark ins Zentrum der Entwurfsaufgaben. Hier im Mädcheninternat mit den umlaufenden raumhohen Verglasungen ist der Bezug von Innen und Außen am stärksten ausgeprägt. Nahezu überall steht der Blick ins Freie im Vordergrund und wird auch im Inneren zum bestimmenden Gestaltungselement.
Direkt an das Mädcheninternat schließt die Landesberufsschule, geplant von Markus Pernthaler, an, die seit 2001 in Betrieb ist. Ein 17 Jahre alter Bau, dessen Zustand uns zunächst staunen lässt. Hier kann man eindrucksvoll nachvollziehen, dass eine intelligente Materialwahl (z.B. das sehr harte Akazienholz für Türen und Einbauten sowie teilweise als Bodenbelag) so manch höhere Anfangsinvestition mehr als rechtfertigt. Beeindruckend ist hier aber auch der Umgang mit der Topografie und die gekonnte Gliederung der Baumassen im Zusammenspiel mit dem bestehenden Schulgebäude (vormals Hotel Mailand), die dieses große Volumen in die Maßstäblichkeit der umliegenden Gründerzeitvillen einbe et. Klassentrakt und Altbestand definieren dabei einen großzügigen Platz, unter dem – kaum spürbar – ein riesiges Sockelgeschoss liegt, das Turnsäle und Lehrküchen beinhaltet. Den Platz definierende Oberlichter sorgen für ihre notwendige natürliche Belichtung und für erstaunlich gute Aufenthaltsqualität. Solch vorbildliche Bildungsbauten sind wichtig – nicht nur für den Ort und die Region, sondern auch deshalb, weil der Bildungsbau eines der Kernthemen in der Vermittlung von Baukultur an junge Menschen ist, wie im bereits 2011 erschienenen zweiten österreichischen Baukulturreport nachzulesen ist.
Nach dem anschließenden Besuch des Fachhochschulgebäudes (2007) von Alfred Bram- berger, führte der letzte Programmpunkt durch den 1837 angelegten Kurpark zum Neubau des Kurhauses. Dieser Neubau stärkt vor allem das eigentliche Zentrum des Ortes – den Kurpark –, der in die neue Architektur integriert wurde. So ist es nicht verwunderlich, dass speziell das Zusammenspiel von Gebäude und Park mit einer GerambRose ausgezeichnet wurde, wie das damalige Jurymitglied Dietger Wissounig erläutert.
Die Entscheidung für diesen Neubau ist damals sicherlich nicht leichtgefallen. Verglichen mit den weiteren Thermen in der Region konnte hier jedoch eine Atmosphäre und Aufenthaltsqualität entwickelt werden, die man andernorts schmerzlich vermisst. Ein Umstand, der entscheidend zur Entwicklung des Ortes beigetragen hat, wie Bürgermeisterin Christine Siegel im anschließenden Gespräch erläutert. War nach Erzählungen von Markus Pernthaler zu Beginn seiner Tätigkeit das Zentrum von Bad Gleichenberg wie ausgestorben, so kehrt nun wieder ein Hauch des mondänen Lebens zurück.
Daher verwundert es nicht, dass manch eine/ einer der Anwesenden mit einer Nacht vor Ort liebäugelte, denn der Rückweg nach Graz führt unweigerlich über die Landstraßen vorbei an den Fachmarktzentren, den Einfamilienhauskuriositäten, den Landdiscotheken.
Gernot Reisenhofer